auf nach Dubai!! - Türkei

13.10.2007: Korinoz -
Eceabat
Wieder früh auf den Beinen mache ich heute Strecke auf der
Autobahn Richtung Türkei. Noch am Überlegen, ob ich
die Grenze heute noch passieren soll, hilft mir das miese Wetter bei
meiner Entscheidung. Es regnet und stürmt, als obs das Ende
der Welt wäre. Da kann ich genausogut auch fahren. Der
Grenzbeamte ist leicht überfordert, weil ich mit zwei
Fahrzeugen einreise, aber alleine bin. Wo soll er denn da das zweite
Fahrzeug hinstempeln? Außerdem gibt es in seiner
Computer-Eingabemaske diese Variante auch nicht. Zur großen
Freude aller hinter mir in der einzigen Abfertigungsspur muß
er sich kundig machen. Telefoniert. Läuft zum
Oberhäuptling. Kommt zurück. Lamentiert. Und nimmt
sich dann endlich ein Herz und schreibt handschriftlich einen kleinen
Roman in meinen Paß. Wenn das mal gut geht. 100m weiter gibts
dann schon das erste Problem. Da wird, aus welchen gottgegebenen
Gründen auch immer, das eben zuvor eingetragene Fahrzeug noch
einmal im Computer gesucht und siehe da - da steht nur eins drin!
Komisch! Vielleicht hätte ich ihm meinen zweitern
Paß geben sollen ?! Wie auch immer, ich zeig ihm den Roman im
Paß, er telefoniert und schon gehts weiter.
Ich beschließe, bis Eceabat weiter zu fahren, um am
nächsten Morgen die Fähre in den asiatischen Teil der
Türkei zu nehmen. Durch strömenden Regen, heftigen
Wind, unterwegs im Dunkeln mit völlig verrückten
Manövern von wild gewordenen Busfahrern, bedenkenlos mitten
auf der Straße taumelnden Leuten, Traktoren, die, weil das
Anhalten offensichtlich zu schwierig ist oder eben nicht geht, mir die
Vorfahrt nehmen, unterwegs, lerne ich die Tücken des Verkehrs
in der Türkei schnell kennen. In Eceabat soll es eine Bar
geben, die Boomerang Bar, in der sich Reisende aus aller Welt treffen.
Dahinter soll ein Stellplatz sein. Normalerweise mag ich es nicht, in
der Nacht Stellplatz zu suchen, aber dieser Hinweis ist mir gut genug,
um heute eine Ausnahme zu machen. Nach einer kleinen Rundreise durch
Eceabat, dem ergebnislosen Versuch, mit meiner EC-Karte
türkisches Geld abzuheben, nach mehrmaligem Fragen, lande ich
endlich vor einer kleinen Bar, eben besagter Boomerang Bar. Bis auf 3,
4 Leute ist die Bar leer. Ich werde begrüßt von
Mesut, er spricht englisch. Ob es noch eine andere Bank gäbe
oder sonst eine Möglichkeit, Geld zu wechseln? Nein, es gibt
nur eine Bank und heute ist großer, großer
Feiertag, da ist alles geschlossen. Es ist Fastenbrechen, die Zeit des
Ramadan ist zu Ende. Ich kann gern bei ihm bleiben, mit seinen Freunden
feiern und essen. So passiert es auch. Wir haben einer
super-schöne Zeit. Kochen, Essen, Trinken, Singen, Tanzen,
Lachen,
Feiern bis in die frühen Morgenstunden. Meine ersten
türkischen Freunde. Was für ein Tag! Seid noch einmal
gegrüßt und noch einmal vielen herzlichen Dank
für unvergessliche Stunden!
14.10.2007: Eceabat -
Ören
Nach dem Sündenfall gestern schaffe ich heute keine allzu
große Strecke. Zunächst gehts mit der Fähre
(nach heute erfolgreichem Geldholen) in den asiatischen Teil der
Türkei. Aufregend. Ich mache ein kleines Kultur-Programm in
Troja
(am meisten beeindruckt mich die Tatsache, daß Troja aufgrund
des
Windes reich geworden ist - nachdem das Kreuzen gegen den Wind noch
nicht bekannt war, mußten die armen Seeleute auf den seltenen
Südwind warten und die fiesen Trojaner haben sie ausgenommen
so
wie heute die Touristen),
wo ziemlich über Herrn Schliemann geschimpft wird (und
vehement
auf die heutige Wissenschaftlichkeit verwiesen wird, mit der die 9
Schichten minimal-destruktiv untersucht werden) und lande
bald an einem Strand in Ören, wo ich in einer kleinen
Strandbar zu Abend esse (herrlich leckeres Lamm), wobei mir zu Ehren
der Fernseher der Bar auf ein deutsches Programm (VOX, eine Sendung, in
der Kinder ihre Eltern überraschen, indem sie das Haus
sanieren, ist zur Zeit ja sehr hip, solche Renovierungs- und
Bau.-Stories) umgestellt wird und bin noch vor 9 im Bett und schlafe.
15.10.2007: Ören
- Herakleia
In Izmir will ich zu MAN, um mir einen neuen Deckel für die
Kühlwasseranlage meines Trucks zu holen. Bei meinem Deckel
fehlt definitiv die Dichtung und in jeder forsch gefahrenen Rechtskurve
suppt das Kühlwasser heraus, was sich im Laufe des Tages auf
durchaus einen Liter und mehr summieren kann. Ich habe die Adresse
über Satellit aus dem Internet geholt, dort auch angerufen,
aber in einer 2,5 Millionen Stadt wie Izmiir ohne Stadtplan die Adresse
zu finden, stelle ich mir als schwierig vor. Also rufe ich zu Hause an
und bitte einen Freund, mir die zur Adresse gehörigen GPS
Koordinaten rauszusuchen. Nach längerem Forschen bekomme ich
Koordinaten eines Industriegebietes, die genaue Adresse erkennt kein
Routing-Tool. Ich fahre kreuz und quer durch die Stadt bis auf 10m an
die Koordinaten ran - und stehe zwar in einem Industriegebiet, aber
eben dem falschen. Ich kurve weiter durch die Stadt. Die
Qualität meiner Landkarten habe ich ja weiter oben schon
beschrieben. Ich rufe nochmal zu Hause an. Das kann doch nicht so
schwer sein, hier GPS Koordinaten zu haben, oder? Nicht einmal die MAN
Werkstätte selbst kennt sie. Geschweige denn MAN24. Leben wir
nicht im 21. Jahrhundert? Izmir ist nicht Afrika! Keine Chance. Also
engagier ich einen Taxifahrer, 'Escort!', der mich zum immerhin 15km
entfernten Ziel bringt. Auch er muß während der
Fahrt nachfragen, wo das denn liegt. Dort angekommen, werde ich sehr
positiv überrascht. Der Niederlassungsleiter spricht perfekt
Deutsch, hat gar einen wohltönenden bayrischen Einschlag,
lädt mich in sein Büre ein, während mein
Truck repariert wird. Er lädt mich auf Kaffee oder Tee ein,
ich lehne ab - uhh! Ich sei jetzt in der Türkei, da gehe es so
nicht! Kaffee oder Tee? Ich bin ja lernfähig, und schmunzelnd
bekomme ich meinen auf richtige Weise schwer
gesüßten türkischen Tee. Wir unterhalten
uns, sehr angenehm und freundlich, ich fühle mich gut
aufgehoben und sehr wohl. Nach nicht einmal einer halben Stunde ist
mein Truck fertig, Füllstände geprüft und
befüllt, mit einem weiteren Ersatzdeckel werde ich
für wenig Geld entlassen und beste Wünsche begleiten
mich auf dem weiteren Weg.
Ich sehe mir noch Ephesos an, sehr beeindruckend in seiner
Größe und Weitläufigkeit. Fast nur deutsche
Touristen, überall wird deutsch gesprochen. Die
Eintrittspreise sind hoch, die Parkplatzgebühren astronomisch.
Aber es lohnt sich doch, ich bleibe ein paar Stunden, atme die Luft
vergangener Tage.
Am Abend find ich in
Herakleia ein
kleines Paradies. Ein kleiner Bauernhof mit Stellplatz und einem von
Muttern bekochtem Restaurant am Ufer eines Sees - ich bin wieder einmal
der einzige Gast, aber es ist traumhaft schön
und gut!
16.10.2007: Herakleia -
Antalya
Ich mache einen Umweg nach Pamukkale - die berühmten
Sinterterrassen. Blendend weiß, herrliche (künstlich
angelegte) Becken, zwar touristisch, aber entspannt. Lasse mich von
einem der eifrigen Schlepper stoppen, "hier parken, umsonst, Gut
Restaurant", weil er symphatisch ist, lass ichs durchgehen, parke auf
"seinem" Parkplatz, wandle die paar Höhenmeter durch die
Terrassen, benetze auch mal meine Füße - durchaus
angenehm - und befriedige dann seine Geschäftsgier mit einem
durchaus erträglichen Mittagessen.
Ich beschließe,
heute doch noch bis Antalya zu fahren. Hier in Pamukkale ists mit einem
Schlafplatz nicht so ganz einfach, zu viele Campingplätze und
verdiensteifrige Helfer. Der Weg durchs Landesinnere ist landschaftlich
wunderschön - ein Versuch, in einem Milli Parki ein
Plätzchen für die Nacht zu finden, scheitert am
geschlossenen Einfahrtstor, es findet sich einfach kein
Plätzchen, wo ich bleiben mag. Erst im Dunkeln komme ich in
Antalya an, hoffe, trotzdem einen
akzeptablen Schlafplatz zu finden und lande - mitten auf einem
Sandstrand. Mußte zwar einmal fragen, aber da war ich schon
aus purem Zufall bis auf 500m an den freien Strand
rangefahren...
Ja, die Spuren habe ich in der Nacht zuvor reingefahren -
mußte glatt Luft ablassen!
17.10.2007: Antalya -
Bucht bei Anamur
Auf meinem Weg weiter nach Osten fällt mir ein Wegweiser ins
Auge: Küprülü Kanyon. Also folge ich dem
Hinweis und lande nach knapp 40km Fahrt in einem Eldorado für
Canyoning-Freaks. Ganz so wild brauch ichs dann heute doch nicht, aber
ich lasse mich zu einer Schlauchbootfahrt den "Grand Canyon der
Türkei" hinauf überreden.
Daß ich selbst
rudern muß, hat mir vorher keiner gesagt, und daß
ich eine Truppe Tansania-Deutscher samt unkoordiniert paddelnder
Kinderschar mit
(eher neben dem Bootsführer als einzig prodiktive Kraft an
Bord) voranbringen muß, auch nicht. Die Arme schmerzen schon,
weils natürlich flußaufwärts geht und Opa
und Oma und Kinderschar ihr Gewicht, aber keine
Paddelproduktivität bringen. Kreuz und quer gehts durch die
Strömung und der arme Bootsführer legt
Kletterkünste hin, um das Boot von den Felsen aus durch
irgendwelche Wirbel zu ziehen, daß es sehenswert ist und
schade gewesen wäre, diesen Ausflug nicht zu machen.
Auf der
weiteren Fahrt taucht dann fernab der Küste eine Insel auf -
Zypern! Neben meinen Befürchtungen wegen der laufenden
Vorbereitungen, Kurdengebiete im Irak anzugreifen, noch so ein Kapitel
türkischer Politik...
Die Straße wird immer
schlechter, ich gebe auf für heute und lasse mich unterhalb
eines Restaurants am Strand nieder. Ein Obstverkäufer winkt
noch und zeigt mir den besten Weg zum Strand - man will mich hier nicht
loshaben, sondern lädt mich ein, zu bleiben. Eine
schöne Erfahrung - da kann sich der Rest Europas durchaus ein
Beispiel nehmen.
18.10.2007: Bucht bei
Anamur - Yilanlikale
So wildromantisch die Küstenstraße noch war, so
touristisch wird alles, nachem die Hauptstraße von Konya
kommend bei Silifke die Küste trifft. Eine Diskothek jagt die
andere, ein Hochhaus überragt das nächste, eine Stadt
folgt auf die andere. Dabei hätte ich schon gerne noch eine
Nacht am Meer verbracht, bevor es ins Landesinnere geht. Aber es ist
sinnlos - zu verbaut die Landschaft, zu dicht die Campingplatzdichte
(obwohl geschlossen), zu abstoßend die Touristen-Industrie.
Also entfliehe ich auf der Autobahn dem Trubel und fahre bis kurz vor
Ceyhan, wo ich eine Burgruine ausfindig mache und zu meinem Platz
für die Nacht erkore.
Über eine kleine, steile
Straße gehts hoch zur Burg, ein nach
Militär-Kontrollposten aussehendes, mit Stacheldrahtverhau
dekoriertes Tor läßt mich mittlerweile nur noch kurz
stocken, dann bin ich auf einem gepflasterten Hof eines kleinen
Restaurants, der Chef des Hauses kommt heraus, weist mich ein,
begrüßt mich mit Handschlag und somit ist klar -
hier bleibe ich. Ein paar Jugendliche sind da, bestaunen meinen Truck,
ein paar Brocken Englisch werden ausgetauscht, ich bestelle ein Bier,
mache mich über meine Türkei-Karte her, um die
nächsten Etappen zu planen, da werde ich auf deutsch
angesprochen. Ein türkischer Baulöwe, der lange Zeit
in Deutschland gelebt hat, viel gereist ist und jetzt hier
Eigentumswohnungen baut, lädt mich zu sich an seinen Tisch ein
und wir quatschen stundenlang über Reisen, Türkei,
Kurden, Politik. Er gibt mir Verhaltenstips für meine Reise
quer durch die Kurdengebiete, hält nicht hinterm Berg mit
Warnungen - na so schlimm wirds dann ja wohl hoffentlich doch nicht
werden, nicht jeder braucht eine Waffe im Auto...
Dort hinter den Bergen herrscht Krieg. Unfassbar.
Der Wirt rät
mir noch, nur mit festen Schuhen rauszugehen und den Truck gut zu
verschließen - Yilanlikale sei ein Schlangenberg und
berühmt dafür, es gebe jede Menge (natürlich
giftiger) Schlangen und er wäre schon mal mit einer Schlange
uim Bett aufgewacht. (Wer nicht, denke ich mir, und
übertreiben kann ich selber, trotzdem trete ich
kräftiger auf als sonst)
Am nächsten Morgen trinken wir noch zusammen einen
Tee und wir verabschieden uns herzlich.
19.10.2007: Yilanlikale -
Nemrut Dagi
Auf zum Berg der Götter! Die Sonnenauf- und
-untergänge sollen etwas ganz Besonderes sein hier oben. Auf
zwei Terrassen sitzen sie, die Götter und Könige aus
Stein und bilden einen Verschmelzungspunkt für Ost und West.
Es ist wirklich eine besondere Stimmung, zwar ist der Himmel
bewölkt und der Sonnenuntergang deshalb nicht so
spektakulär, aber die Aussicht ist atemberaubend und die
Statuen, die mit mir (und noch ein paar anderen) auf den
Sonnenuntergang warten, geben der Situation Würde und
Größe. Ich bin tief beeindruckt.
Am Abend lerne ich noch einen türkischen Motorradfahrer aus
Bursa kennen, wir essen zusammen (ein höllisch scharfes
lokales Gericht aus Hirse, rohem Fleisch, Gewürzen und was
weiß ich noch allem, das auch für ihn fremd ist),
trinken Tee (und ein Bier) und unterhalten uns prächtig. Wir
verabreden uns für den Sonnenaufgang, deshalb mach ich jetzt
um Mitternacht lokaler Zeit auch Schluß mit meinem
Geschreibsel und geh ins Bett, damit ich morgen fit bin. Gute Nacht!
Der Sonnenaufgang ist leider buchstäblich ins Wasser gefallen.
Es hat die ganze Nacht geschüttet wie aus Kübeln dazu
Temperaturen um die 5 Grad und die Heizung mochte wegen der
Höhe nicht starten. Brrr. Bin dann kurz nach dem Hellwerden
aufgestanden und habe mich gleich auf die nächste Ettappe
gmacht.
20.10.2007: Nemrut Dagi -
Van See
Zunächst gehts
mit einer altersschwachen Fähre über einen Arm des
Atatürk-Stausees, dem aufgestauten Euphrat. Irgendwie sind die
Menschen hier in der Gegend härter, vielleicht ist es aber
auch nur das Autofahren, jedenfalls gehts beim Anstellen an
die Fähre ganz schön hemdsärmelig, um nicht
zu sagen grob zu. Erst mal mit dem LKW reinfahren ins Chaos und dann
nicht mal den eigenen Fehler erkennen, sondern die anderen zur Sau
machen. Hab mich zurückgehalten und bin doch auf die
Fähre gekommen.
über Fernstraßen (wenn man die
Holper-die-Polter-Strecken so nennen mag) gehts dann durch zahlreich
vorhandenes Militär zum Van-See. Auch hier lande ich bei
meinem ersten Versuch, einen Schlafplatz zu finden, leider bei einem
Haus (das ich hinter dem Hügel nicht wirklich erkennen konnte)
und meine vorsichtige Frage, ob ich hier irgendwo ein
Plätzchen für uns finden könnte zum
Schlafen, werde ich brüsk abgewiesen. An solchen Orten mag ich
dann auch nicht bleiben, wünsche dem armen Menschen noch eine
gute Nacht und mach mich von dannen. Keine 500m später geht
ein Schotterweg die Berge hoch - meine Wahl - und siehe da, ich stehe
hoch über dem Van-See auf eine verdorrten Wiese, habe den
besten Ausblick, man sieht mich von der Hauptstraße aus nicht
und um den kleinen Schotterweg-Verkehr mach ich mir keine Sorgen. Gute
Nacht!
Die Nacht war bis auf ein paar blinde Alarme vom Floh, dem
Oberschisser, ganz ruhig. Die beiden Hunde waren draußen, in
so einer ruhigen Umgebung können die ruhig mal auch das
draußen sein genießen. Nur jagt jede Blindschleiche
dem Floh solche Angst ein, daß er wie wild rumspringt und
völlig außer sich rumbellt. Da kann ich auch gleich
eine Fahne hissen und sagen: Hier bin ich! Hab das eine und andere Mal
geschaut, ob tatsächlich was draußen los ist, aber
außer ein paar verirrten Viechern war da wohl nichts. Gut,
daß ich so früh ins Bett gegangen bin, sonst
wär ich jetzt ganz schön gerädert.
Nach dem
morgendlichen Procedere (Duschen, Kaffee trinken, Hunde
ausführen und füttern, Katze versorgen, 5min
hinsetzen und nochmal wirken lassen, Truck reisefertig machen,usw.)
mache
ich mich an den Abstieg. Der bleibt nicht unbemerkt und schon warten
unten die Jandarma auf mich. "Was Du da tun?" fragt mich der
ranghöchste Offizier. "Ich reise", antworte ich, setze mein
allerfreundlichstes Gesicht auf (meine es allerdings auch so, und er
glaube ich, spürt sowas schon). "Haben Sie Paßport?"
- jetzt wirds förmlicher, aber sehr, sehr korrekt. Ich zeig
ihm also meinen Ausweis, er blättert interessiert - "Du
alleine?" - "Ja, ich bin unterwegs nach Dubai und meine Frau kommt mich
dort mit dem Flugzeug besuchen". "Wer sonst drin?" - Ich öffne
die Tür und die zwei Monster schauen raus. Jetzt ist
das Eis endgültig gebrochen - ob er ihnen einen
(Schoko!-)Riegel geben kann? Klar, er muß nur aufpassen,
daß ihm Mogli nicht die Hand mit abbeißt. Wo ich
denn hinfahre - ? Habe ich doch schon gesagt, nach Norden, zum Ararat
(er verbessert mich, das heißt Arrrt oder so
ähnlich, aber auf keinen Fall Ararat - es ist ja der
Arrr-Berg - mit kaum wahrnehmbaren 'e'-Lauten zwischen den 'r's!
Natürlich lerne ich gerne hinzu und probiere mehrmals, bis ich
entweder gut genug wiederhole oder er aufgibt, wer weiß) und
dann
in den
Iran. Also nicht nach Süden? Nein! Sehr gut, sehr gut. Mir
ahnt fürchterliches, was sich später auch als richtig
herausstellen soll. Im Süden (was heißt das schon,
das sind vielleicht 100km) ist der Teufel los. Schwere Gefechte,
Bombardierungen, ganze Dörfer werden plattgemacht,
Bombenanschläge, man spürt hier überall die
Nervosität richtig. Gut, daß ich so zügig
durchgefahren bin, denke ich mir.
Über einen 2600m hohen Paß geht es nach Norden, zum
Teil ganz nah an der iranischen Grenze entlang - ich kann die
Grenz-Bewachungs-Türme alle paar hundert Meter schon sehen.
Jede Menge Checkpoints jetzt, alle mit Maschinengewehren, gepanzerten
Fahrzeugen, Sandsäcken zusätzlich zu den ohnehin
schußsicheren Kontrollhäuschen, der Verkehr Richtung
Süden wird streng kontrolliert, nach Norden gehts einfacher
zu. Es fängt an zu regnen, 19 Grad, kein Problem. Denke ich.
Plötzlich steht vor mir ein Tanklastzug quer. Der Trailer halb
im Graben, die Zugmaschine mit den Rädern hoffnungslos
durchdrehend auf dem Wege dahin. Ich bleibe stehen, steige aus - und
liege fast auf der Nase. Die Straße ist spiegelglatt. Kein
Eis, nein, die Feuchtigkeit macht aus dem Asphalt und dem Dreck
(Diesel?, Öl? was sonst) oben
drauf eine Schmierage, daß ich mich fast nicht auf den Beinen
halten kann. Dem Sattelschlepper helfen zu wollen, ist da sinnlos. Er
muß auf Trockenheit warten (und eben hoffen, daß es
nicht noch schneit und Winter und nächstes Jahr wird, dann ist
er gefeuert oder pleite). Ich taste mich um die Blockade herum,
erreiche die Paßhöhe - und abwärts gehts.
Ungebremst. Da zu rutschig. Unfaßbar. Ich rette mich aufs
Bankett in den Schotter. Schalte meine Sperren zu, ich möchte
hier
nicht auf eventuellen Schnee warten, und fahre mit dem halben Fahrzeug
neben der Straße talwärts. Meine Hauptsorge gilt den
anderen LKW's, die hinter mir kommen mögen und keine Chance
haben, zu bremsen. Aber offensichtlich ist oben inzwischen so ein
Chaos, daß keiner mehr durchkommt. Ich kanns immer noch nicht
fassen. KEIN Eis, nein, einfach nur naß, aber 100m Bremsweg
von 30km/h auf 0. Ich muß vorsichtiger sein in Zukunft.
Nach Dogubayazit ist es nicht mehr weit - bin schon gespannt auf den
Arrr-Berg (!). Aber auch er hüllt sich in Wolken. Obwohl man
den Gipfel nicht sehen kann, beeindruckt seine Höhe - und das,
obwohl ich selbst schon auf über 2000m stehe. Zum ersten Mal
auf meiner Reise fallen mir bettelnde, ja fordernde Kinder auf.
Handzeichen wie "Stop", und "Geld", Daumen und Zeigefinger aneinander
reibend, kommen sie mir mit einer seltsamen Mischung aus Neugier und
Aggressivität entgegen. Irgendwie nur eine begrenzte
Altersgruppe, eher jung, vielleicht um die 12, andere winken wieder
fröhlich und scheinen sich zu freuen, wenn man selbst auch
freundlich winkend reagiert.
Ich entscheide mich, meiner Erfahrung folgend, wieder bei einer
touristischen Attraktion / Monument / historischen Stätte
meinen Schlafplatz zu suchen. Und lande in einem
größeren Militär-Manöver. Gute
Nacht. Aber Warten hilft auch hier wieder einmal und so stehe ich dann
vor dem Märchenpalast Isha Pasa Sarayi. Herrlich gelegen,
super Blick auf den - ja, richtig - Arrr-Berg und mit über 300
Zimmern gesegnet. Man läuft sich tot zwischen Wartezimmer,
Bibliothek, Saal, Küche, Hammam usw. usw. Ein richtiges
orientalisches Schloß. Und jetzt steh ich knapp oberhalb, hab
mir einen Campingplatz (naja, einen Parkplatz neben einem Restaurant
eben, den sie hier Campingplatz nennen) gegönnt, weil mir
sonst alles zu unsicher ist.
Habe im Restaurant gegessen, dabei Gregor,
einen allein herumreisenden Menschen kennengelernt, mich mit ihm ganz
wunderbar unterhalten (zum Abschied hab ich ihm noch eine Flasche
meiner guten
Bordeaux-Weine geschenkt, ab morgen sind sie nutzlos, in den Iran kann
ich sie nicht mitnehmen), bis im Fernsehen die schrecklichen Bilder
aufgetaucht sind und uns der Wirt dann auch erzählt hat, was
da im Süden los ist. Daß türkische Soldaten
von PKK-Kämpfern mit amerikanischen Waffen (!) erschossen
werden und die Amis so tun, als ob sie von nichts
wüßten. Sei auch viel Erdichterei darum, die ganze
Situation stinkt.
Ich wollte mir eigentlich einen Tag Auszeit gönnen, bevor ich
in den Iran weiter fahre, aber so wie`s aussieht, ist der Iran
der sicherere Hafen. Ich werd mich morgen früh
entscheiden. Gute Nacht!
Nach dem Gassigehen mit den Hunden treffe ich dann Parashut, den
Besitzer des Restaurants, Bergführer und Bergretter. Wir
landen in meinem Truck und versuchen, meine Weinvorräte zu
vernichten. Wir erzählen und lachen und trinken die halbe
Nacht. Und Ararat heißt also doch Ararat und nichts anderes.
Er muß es wissen.
created: 2007/10/12
by Thomas Waas
last changed: $Date: 2008/10/22 13:58:02 $ by $Author: Thomas $